Die jüdische Wurzeln des christlichen Glaubens
Nimmt man das Judentum aus dem Christentum, was bleibt dann übrig? Das Neue Testament wurde ausnahmslos von Juden geschrieben (vielleicht war Lukas doch kein Jude). Paulus, Petrus, Jakobus, Judas, Matthäus, Johannes, sie alle waren Juden so wie der Herr, dem sie vertrauten: Jesus. Sie dachten jüdisch, redeten jüdisch, feierten selbstverständlich die jüdischen Feste, hielten sich an jüdische Traditionen und lebten in einer jüdischen Welt. Die ersten „Christen“ waren Jesus-gläubige Juden, zu denen sich erst allmählich mehr und mehr nicht-jüdische Gläubige gesellten. Ein Christentum ohne Judentum ist ist bestenfalls ein inhaltsarmes Überbleibsel.
Im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. schließlich stellten die Nicht-Juden unter den Christen die Mehrheit dar und begannen sich zunehmend als separate religiöse Gruppe zu definieren. Sie lehnten die jüdische Gesetze ab, besonders das mosaische Gesetz, und betonten den neuen Bund in Christus. Diese Abgrenzung trug dazu bei, dass sich das Christentum immer weniger als Teil des Judentums wahrgenommen wurde. Dies wurde verstärkt durch eine zunehmenden Judenverfolgung, von der man sich ebenfalls absetzen wollte.
In den folgenden Jahrhunderten kam es zu einer Zunahme antijüdischer Rhetorik und Theologie in christlichen Schriften. Die Christen sahen sich oft als das wahre Israel und die Juden als diejenigen, die den Messias abgelehnt und gar getötet hatten (Gottesmord-Theorie), was freilich nicht ohne grundlegende Verkennung des Sühnetodes Jesu denkbar ist. Die daraus resultierende „Ersatz-Theologie“, nach der die Kirche Israel aus der Gottesbeziehung verdrängt und ersetzt hat, führte zu einer gravierenden Entfremdung von Kirche und Judentum. Die Folgen dieses katastrophalen Irrtums dauern bis heute an und rauben uns den geistlichen Reichtum, den die jüdischen Wurzeln des Christentums für uns bedeuten. Jenen Irrtum aufzudecken und diesen Reichtum wieder zu entdecken ist unser besonderes Anliegen.
